Pornichet Select 2016 – 300 Seemeilen Sprint Race
Im April war es wieder soweit. Die neue Saison begann und mit einem komplett neuen Satz Segel meines Sponsors „Narwal Sails“

aus Danzig ging es in die Bretagne um die dritte Saison meiner Mini Kampagne zu beginnen. Auch Morten Bogacki wollte runter in die Bretagne und so trafen wir uns nahe Köln auf der Autobahn und tingelten gemeinsam die lange Fahrt nach Lorient hinunter.
Angekommen in Lorient organisierte ich einen Elektriker der mir bei meinen diversen Veränderungen, die ich für die Elektrik geplant hatte, behilflich sein sollte. Gesagt getan hatte ich einen Tag später einen netten Franzosen namens Julien auf meinem Boot sitzen. Julien gab sich allerdings nicht damit zufrieden meine Wünsche in die Tat umzusetzen, sondern er hatte den Anspruch auch aus mir einen besseren Elektriker zu machen. Seine Worte waren in etwa: „if you are alone at the Atlantic ocean…you have to help yourself….i cannot come and help you….so you need to know what we are doing now“.

Wie Recht er doch hatte. Aber Elektrik war bislang nicht unbedingt meine Stärke. Ich nahm sein Angebot gerne an und so zog sich die Installation zwar etwas in die Länge, aber sie wurde gut und das war ja das Ziel. Julien hatte damals im Team von Jörg Riechers gearbeitet und seit der Aufgabe des Teams hilft er aus wo er kann. Auch kein einfaches Leben.

Umso mehr war ich begeistert von seiner Gastfreundschaft. Ich bekam das Angebot bei ihm zu wohnen wann immer ich wolle. Er wohnte in einer Segler WG, nur seine Freundin war Fotografin und so war es üblich, dass die Gäste immer an gleicher Stelle der Wohnung ein Portrait in Polaroid machen mussten. Ja so etwas gibt es noch in Frankreich. Es war sehr lustig und beeindruckend wer alles schon in dieser Wohnung nächtigen durfte 🙂 Es war so ein typischer Abend in Frankreich von dem die Segler alle erzählen aber von denen man immer nur gehört hatte und nie mit dabei war. Einfach ein cooles Erlebnis.

In Pornichet angekommen hieß es erst einmal Mast stellen und die neuen Segel testen. Morten war dafür die ideale Begleitung und so verbrachten wir den ganzen Tag mit Segel einstellen und fotografieren der einzelnen Profile um Änderungswünsche direkt nach Polen weiter zu reichen. Für die erste Regatta musste aber der erste Schnitt reichen und so startete ich am Samstag den 30.04.2016 das Pornichet Select.
4 deutsche Teilnehmer waren eingeschrieben: Lina Rixgens, Oliver Tessloff, Michael Zerr und ich. Ziemlich nervös ging ich morgens an Bord. Irgendwie hatten mich die ganze Vorbereitung im Winter und die Tage vor der Regatta ziemlich geschafft. Nie zuvor war ich vor einer Regatta so aufgeregt. Ich fühlte mich schlecht vorbereitet, die Navigation hatte ich erst am Abend und in der Nacht vorher fertig bekommen, die Segel waren noch nicht perfekt, das GPS war neu und die Menüführung war komplett anders als das Alte. Ich war spät dran mit dem Auslaufen, musste vor dem Start noch in die Stadt Joggen weil ich meine Sonnencreme nicht mehr finden konnte (Aufregung) und und und….kurz vor dem Start fuhr mir dann noch mein Freund Sander van Doorn mit seiner Pogo 3 ohne Wegerecht quer ins Schiff. Ich dachte, jetzt ist es aus. Das gibt ein riesiges Loch. Aber anscheinend sind die Minis doch viel stabiler als gedacht. Es war kein Kratzer, keine Beule, kein Schaden zu erkennen. Nicht mal Haarrisse konnte ich im Nachhinein feststellen. Entweder lag es an der guten Konstruktion der Nacira oder an dem stumpfen Bug der Pogo 3. Egal, 2 Minuten vor dem Start war das ein ziemlicher Schock. Der Start selbst lief dann aber dennoch gut und so startete ich auf der Mitte der Linie raus aus der Bucht von Pornichet. Es ging zunächst um eine Verholtonne und dann aus der Bucht heraus in Richtung Quiberon. Der Wind wehte frisch mit etwa 20 Knoten und so segelten die meisten mit einem Reff im Groß und teilweise auch einem Reff im Solent. Die erste richtige Wendemarke war dann der Leuchtturm Birvideaux doch bis dahin waren es etwa 40 Seemeilen Kreuz. Mein Solent entwickelte eine gute Höhe und so war ich mit meiner Performance auf der Kreuz sehr zufrieden. Leider haben die Pogo3 und Ofcet mittlerweile die richtigen Einstellungen gefunden und so ist es nahezu unmöglich mit dem Nacira Design an die Performance der neuen Boote heran zu kommen. Im Winter scheint es massenhaft neue Boote gebaut zu haben, denn am Start waren 19 Boote vom Typ Pogo3 oder Ofcet. Die eigenen Erwartungen an eine Top 10 Platzierung in diesem Feld muss ich wohl leider nach unten korrigieren, aber immerhin waren auch einige der anderen Naciras am Start, sodass ich mir eigene Gegner suchen konnte. Die Kreuz war extrem anstrengend, denn dicht unter Land fahrend waren viele Wenden nötig und das gesamte Material wollte vor jeder Wende immer wieder auf die neue Luv Seite gestaut werden. Das ist bei ruppiger Welle und frischem Wind eine echt anstrengende und für den Magen nicht ganz einfache Aufgabe. Mal davon abgesehen, dass es immer wieder aufregend ist in einem engend Feld für die Zeit des um Stauens unter Deck zu gehen und dem Autopiloten das Feld und den Ausguck zu überlassen.
Gegen 24 Uhr war die Wendemarke Birvideaux erreicht und ich war echt froh darüber. Mittlerweile war es dunkel und das war auch gut so, denn einen riesigen Leuchtturm als Wendemarke im Atlantikschwell zu wählen ist typisch Classe Mini aber für ein 6.50 M langes Boot doch ziemlich spannend. Das zeigte sich auch für den Mini Segler Nick Joyce der direkt in der Nähe des Leuchtturms ein Fischernetz mit seinem Kiel einfing. Das Boot stoppte auf und trieb langsam in Richtung Leuchtturm. Nick ließ seine Segel fallen und sprang, gesichert mit einer Leine und bewaffnet mit einem Messer, in den Atlantik um sich aus dieser gefährlichen Lage zu befreien. Wie gesagt, es war stock dunkel. Er war danach so kaputt und unterkühlt, dass er erst lange Zeit danach seinen Spi setzte um wieder im Race Mode weiter zu fahren. Ja, man muss beim Mini segeln ein wenig Wahnsinnig sein. Ich setzte ab dem Leuchtturm meinen Medium Spi und glitt mit 8-10 Knoten Fahrt in Richtung Belle Ile. Die Nacht nutzte ich um Schlaf zu bekommen. Der Autopilot steuerte mich auf einem sicheren Kurs entlang der Belle ile und weiter Richtung Ile de Yeu. Nach einigen Schlafphasen von jeweils 30 Minuten entschied ich mich zu einer Halse. Leider nahm der Wind immer weiter ab und so war es noch ein sehr langer und beschwerlicher Weg zur nächsten Wendemarke Les Sable D´Olonne. Als es wieder hell wurde war weder ein Konkurrent mit dem Auge, noch mit dem AIS zu sehen. Das kann ganz schön beunruhigend sein, denn auf Regatta sind die Konkurrenten um einen herum doch auch immer der Gradmesser für den eigenen Speed. So verholte ich mich wieder in Richtung des vermuteten Feldes um Sicherheit zu gewinnen. Im Nachhinein hätte ich wahrscheinlich einfach weiter Tiefe fahren sollen und so einen direkteren Weg nach Les Sable fahren können. Aber gut, so ist es nun mal im Regattasport. Die Psyche spielt gehörig mit!

Am Abend erreichte ich Les Sable und das war dann auch der südlichste Punkt der Strecke. Ab da war die Prognose auf etwa 100 Seemeilen Kreuz bis zur Ile de Groix. Nicht unbedingt der Kurs der auf einem Mini richtig Spaß macht. In der Nacht verschwand der Wind komplett, etwa 3-4 Stunden Flaute zerrten an den Nerven. Das Boot trieb teilweise etwas rückwärts was ich natürlich gerne vermeiden wollte. Aber bei einer Tiefe von gut 100 Metern muss man sich über Ankern nicht wirklich Gedanken machen. In der Flaute treibend versuchte ich alles um zumindest ein wenig Fahrt ins Boot zu bekommen. Die anderen Minis in meiner Nähe verrieten mir, dass ich im Treiben gar nicht so schlecht bin. Gut für Geist und Stimmung versuchte ich noch ein wenig zu schlafen bis der hoffentlich erwartete Wind wieder einsetzte. Gegen Sonnenaufgang kam dieser mit ganz kleinen Schritten zurück. Er drehte weiter nach links als erwartet und so wurde es ein Anlieger an der Ile de Yeu, Belle Ile und Ile de Groix (höhe Lorient) entlang. Groix erreichte ich am Montagabend gegen 23 Uhr. Ab da hieß es noch die letzten ca. 70 Meilen Richtung Ziel (Pornichet) abzuhaken. 70 Meilen können schnell gehen oder dauern. In meinem Fall kam der Wind genau achterlich und ich freundete mich so langsam mit vielen nächtlichen Halsen an als der Wind ein Einsehen bekam und etwas vorlicher einfiel. So schaffte ich es mit einem Windwinkel von etwa 160 Grad TWA (wahrer Windwinkel) den direktesten Weg entlang der Küste von Quiberon und auf der anderen Seite der Belle Ile entlang zu heizen. Der Wind frischte auf 20 Knoten auf, kam im Verlauf der dritten Nacht noch etwas vorlicher und so knallte ich mit konstant über 10 Knoten, in Spitzen bis 14 Knoten Fahrt in Richtung Ziel. In solchen Nächten macht sich bezahlt wer einen guten Autopiloten hat. Ohne Sicht (wieder eine rabenschwarze Nacht) und mit ordentlich Druck von hinten überließ ich das Steuern meinem zweiten Mann an Bord namens NKE. Ich degradierte mich zum Spi Trimmer und so teilten wir uns die Aufgaben mit Bravur. NKE lufte an und fiel ab in den Böen, ich fierte und trimmte den Spi. Es war ein stetiger Wechsel, so als wenn ein erfahrener Steuermann an der Pinne stand. Ich war schwer begeistert, denn dass diese Symbiose aus Maschine und Mensch so gut funktionierte hatte ich nicht erwartet. Es war der sprichwörtliche Ritt auf Messers Schneide. Der Wind kam mit etwa 15-20 Knoten, manchmal auch darunter und der Windwinkel änderte sich bis auf 120 Grad TWA. Das Großsegel hätte ich gerne gerefft, aber das hieße Spi wegnehmen, Groß reffen, Spi wieder setzen. Der Winkel war zu spitz um die Arbeit dem Piloten komplett zu überlassen. Eine weitere Alternative wäre gewesen einen kleineren Spi zu setzen, aber aus meiner Erfahrung heraus wusste ich, dass dann zu wenig Power für einen guten Durchschnittsspeed vorhanden wäre. Insgesamt hatten mir beide Alternativen nicht gefallen und so entschied ich mich das Großsegel ganz zu öffnen, den Baumniederholer aus der Hand zu fahren und so den Rest bis zum Ziel zu fahren.
Die letzten 15 Meilen war der Kurs zu spitz für den Spi und so fuhr ich mit Groß und Genua dem Sonnenaufgang entgegen. Um 06:15 Uhr am Dienstagmorgen überquerte ich, erschöpft von der letzten Nach, (fast ohne Schlaf) die Ziellinie. Ein Begleitboot des Veranstalters schleppte mich in den Hafen und ich begab mich in das Wettfahrtbüro um meine Ankunft auch schriftlich zu untermauern. Alle waren freundlich und genauso freundlich überbrachte mir der Wettfahrtleiter, dass gegen mich und diverse andere ein Protest der Wettfahrtleitung vorliegt. In der ersten Nacht gab es einen Notruf des Mini 814 und kaum ein Mini in seiner Nähe hätte darauf reagiert. Die französische Küstenwache hatte daraufhin dem Veranstalter einen gehörigen Einlauf verpasst und als Exempel sollte nun ein Protest gegen die Minis in der Nähe statuiert werden. Die Protestverhandlung war für 15 Uhr angesetzt. Ich war nahezu der letzte Skipper der zur Anhörung gerufen wurde, das war um etwa 19 Uhr. Unverständliche 4 Stunden durfte ich Gewehr bei Fuß vor dem Jury Office warten um ca. 5 Minuten auf Englisch zu erklären, dass ich kein Wort Französisch verstehe. Abgesehen davon, dass ich zu der Zeit des Notrufes geschlafen hatte war der komplette Funkverkehr in Französisch. Ich machte deutlich, dass nach den internationalen radio regulations der Notverkehr in Englisch zu führen ist, aber was rede ich mir den Mund fusselig, der Franzose wird in seinem eigenen Land einen Teufel tun und in Englisch einen Notruf absenden. Ende gut, alles gut, die Jury akzeptierte meine Erklärung und verschonte mich als einzigen von einer 2 stündigen Zeitstrafe.

Als 23. von 50 Serienschiffen erreichte ich nach 2 Tagen, 17 Stunden, 01 Minute und 57 Sekunden das Ziel. Für mich als Regattasegler mit dem Anspruch immer vorne mit zu segeln fällt das Ergebnis bei erster Betrachtung nicht so gut aus. Wenn man aber auf die Liste schaut, dann sieht man 15 Boote der neuesten Generation (Pogo 3 und Ofcet) und nur 7 von der Performance vergleichbare Boote wie z.B. Argo, Pogo 2 oder Tip Top. Wenn man das mit einrechnet, könnte man sagen es wäre ein 8. Platz gewesen mit dem ich sehr zufrieden sein kann. 2 Boote der neuesten Generation waren hinter mir ins Ziel gekommen und so fällt mein Fazit durchaus positiv aus. Die Classe Mini ist eben keine Einheitsklasse, dass darf man nicht vergessen. Es ist eine Konstruktionsklasse mit einer sogenannten „BOX Rule“. Alle Boote müssen in gewisse Abmessungen (z.B. 6.50 lang und max. 3 Meter breit etc.) passen. Das restliche Design ist frei und führt selbstverständlich zu unterschiedlichen Performances. Es wird also immer auch eine sogenannte inoffizielle Wertung der Boote der älteren Generation geben. Vielleicht ja sogar auch einmal offiziell, denn wenn man sich die Performance der neuen Boote anschaut, wie Sie mittlerweile sogar ganz vorne im Proto Feld mitfahren, dann bekommt man ganz schön große Augen. Zumindest wenn man es aus der Brille eines Wettkämpfers sieht.
Abschließend muss man leider neidvoll anerkennen, dass die neuesten Boote vom Typ Pogo 3 und Ofcet ein gutes Stück schneller sind und das eine Teilnahme am Transat im kommenden Jahr aus sportlicher Sicht eine echte Herausforderung werden wird. Unter normalen Umständen sind diese Boote leider nicht zu schlagen und so müssen wohl mindestens die ersten 20 Plätze auf der Ergebnisliste diesen Booten vorbehalten sein. Schade für mich der sich 2013 für das damals aktuellste Design entschieden hat, gut für diejenigen, die erst 2015 oder 2016 ein neues Boot oder eine vom Transat zurückgekehrte Pogo 3 oder Ofcet gekauft haben. Wenn man es aus der Budget Sicht sieht wäre ein so neues Boot aber für mich ohnehin nicht machbar gewesen, ein Pogo 3 Projekt hätte locker nochmal 50.000 € extra verschlungen und so muss ich mich einfach damit abfinden die Ergebnislisten etwas differenzierter zu betrachten.
Trotzdem soll man niemals nie sagen und gerade auf dem Transat im kommenden Jahr kann alles passieren. Auch eine vermeintlich langsamere Nacira kann da mit etwas Glück gute Akzente setzen. Das wird mein neues Ziel für das Transat sein. Das Beste aus mir und dem Boot herausholen und in Anbetracht der neuen Gegebenheiten ein gutes Ergebnis einfahren.
Andreas